Meine ad-hoc Watzmannüberquerung

Der Plan

Eigentlich wolllte ich eine gemütliche Hüttentour machen, um meine neuen Wanderschuhe für Nepal einzulaufen und den neuen Rucksack zu testen (man hat ja zig Rucksäcke, aber irgendwie nie die richtige Größe). Und nachdem ich schon viele vom Berchtesgadener Land habe schwärmen hören, dachte ich, ich schaue mir das auch mal an und umrunde den Königssee und/oder den Watzmann.

 

Nur leider machte mir das Wetter einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Nein, kein Regen, ganz im Gegenteil. Die Wettervorhersage meldete geniales Wetter und über 30 Grad. Da kann man doch nicht die Daunenjacke und die Thermounterhose durch die Gegend schleppen. Und noch weniger kann man da unten am See rumkrebsen. Da muss man doch ganz klar in die alpineren Gefilde aufsteigen, die bei instabilem oder schlechten Wetter nicht machbar sind.  Sonst blutet mir doch einfach das Herz.

 

Also  googelte ich einen Tag vor meiner Abreise mal kurz im Internet, ob der Watzmann ein realistisches Ziel für mich sein könnte. "DEN Watzmann" gab es allerdings so gar nicht, sondern lediglich eine Überquerung seiner 3 Hauptgipfel "Hocheck", "Mittelspitze" und "Südspitze", wobei es sich bei den Verbindungen zwischen den Gipfeln um Klettersteige handelt. 10 h vom Watzmannhaus zur Wimbachgrieshütte sollte der Spaß dauern und vom klettertechnischen Niveau auch nicht allzuschwer sein. Na dann... Warum nicht? Keine Ahnung, ob ich es schaffen kann, aber zurückgehen kann man ja immer. Und so packte ich mein Klettersteigset ein und kämpfte mich in 10 h durch etliche Staus und Vollsperrungen bis nach Ramsau zum Wanderparkplatz Wimmbachbrücke durch. Genauso lange, wie es über den Watzmann dauern sollte, nur dass letzteres eindeutig mehr Spaß macht. Die Nacht verbrachte ich dann im Auto auf dem Parkplatz, so dass ich am nächsten Tag direkt los konnte. 


Tag 1 (Wimbachbrücke - Wimbachklamm - Watzmannhaus - Kürointhütte - Drittes Watzmannkind - Watzmannhaus)

Da ich nach 3 h schon auf dem Watzmannhaus war  und nicht den ganzen Nachmittag Kaiserschmarren essen und Radler trinken wollte, entschied ich mich, zur Einstimmung ne Wanderung mit kleinem Rucksack zur Kurointhütte und zum Dritten Watzmannkind zu machen. Während Watzmannhaus und Kurointhütte natürlich an einem sonnigen Wochenende angesagte Ausflugsziele waren, bin ich auf der ganzen Strecke zum Dritten Kind nicht einem Menschen begegnet. Und so genoss ich die Einsamkeit, während unten in den Tälern, wie ich später erfuhr, die Hölle losgewesen sein muss. Es war nämlich Wallfahrt. Leute erzählten mir, dass ihnen plötzlich 2.000 Menschen entgegenkamen und alle Unterkünfte bis auf den letzten Platz ausgebucht waren. (Ich hab mal recherchiert. Die ist immer Samstag nach dem 24.8. und die Bilder sehen echt krass aus... schaut mal hier) Da hatte ich wohl, ohne es zu wissen, alles richtig gemacht. :-)

 


Weg über die Wimmbachklamm zum Watzmannhaus.


Das Watzmannhaus liegt in herrlicher Lage auf 1.928 m Höhe.

Auf dem Weg zum Dritten Watzmannkind.

Da ist schon ganz klein das Gipfelkreuz zu sehen. Endspurt über das Steinplateau. 


Geschafft im doppelten Sinne...

Von der Seite siehts noch mal gigantischer aus. Da oben vor dem Kreuz saß ich.

In die eine Richtung schaut man aufs Steinerne Meer.

In die andere Richtung kann man bis zum Königssee runterschauen. Da unten sieht man St. Bartholomä.

Pünktlich zum Sonnenuntergang bei gleichzeitigem Vollmondaufgang war ich wieder zurück am Watzmannhaus und genoss das herrliche Farbspiel des Himmels.

Tag 2 (Watzmannhaus -Hocheck - Watzmann Mittelspitze - Watzmann Südspitze - Wimbachgrieshütte)

So schön wie der letzte Tag aufhörte, fing der neue Tag an. Der Himmel malte wie ein Künstler expressionistische Bilder in tollen Farben in die Luft, die bereits um halb 6 morgens so warm war, dass man in kurzen Sachen auf der Terrasse frühstücken konnte, ohne zu frieren. Das bedeutete aber auch, dass ein megaheißer Tag vor mir lag.

Wasser war im Watzmannhaus aufgrund des trockenen Sommers schon seit Tagen knapp und wurde limitiert. In den Toiletten war es deshalb abgestellt und die Waschräume wurden nur abends für eine halbe Stunde geöffnet zum Zähneputzen und Händewaschen. Mehr war nicht erlaubt und wurde auch kontrolliert. War aber ne lustige Atmosphäre. Schlangestehen für ein paar Tropfen Wasser und gemeinschaftliches Zähneputzen. Das war wie im Schullandheim. :-) Da weiß man erst mal , wie gut man es zu Hause hat.  Auch Trinkwasser wurde nur morgens um 6 Uhr einmal ausgeschenkt und dementsprechend groß war der Andrang. Da ich gezwungen war, mich an der langen Wasser- und Frühstücksschlange anzustellen, konnte ich erst halb 7 starten, was sich aber als günstige Uhrzeit erwies. Der erste "Pulk" war bereits weg und der nächste Pulk frühstückte erst und war dann hinter mir. So hatte ich eine einigermaßen menschenarme Lücke erwischt, denn an einem so grandiosen Sonntag war ich natürlich nicht die einzige, die die Watzmannüberquerung vor hatte. Aber wahrscheinlich war ich die einzige, die bei 34 ° Bücher über Nepal und warme Daunensachen über den Watzmann schleppte. Egal, ich wollte ja "trainieren"... :-) 

 

Wanderer mit leichtem Rucksack und sicherlich eingelaufenen Wanderschuhen. :-)

Maja mit schwerem Rucksack und neuen nicht eingelaufenen Wanderschuhen. :-(


Die Morgensonne tauchte die Berge in warme Töne.

Ein Steinmännchenfeld am Wegesrand erfreute mich :-)

Der erste Gipfel, das Hocheck (2.651 m), rückte so langsam in greifbare Nähe.

Endlich war ich oben angekommen. Ich fühlte mich allerdings auch fast so wie Jesus, der sein Kreuz geschleppt hat... :-)

Ich gönnte mir eine kurze Pause, aber verweilte nicht zu lange, denn im Hintergrund war das nächste Ziel schon zu sehen. Die Mittelspitze rief. Mit 2.713 m ist sie der höchste Punkt. Als ich den Grat so sah, über den ich musste, wurde mir doch ein wenig mulmig und ich war froh, das Klettersteigset anlegen zu können. Viele machten es auch ohne, aber so routiniert fühlte ich mich nicht. Sicher ist sicher! :-) Und sieht ja auch viel spektakulärer aus!!!!


War aber alles halb so wild. Am Anfang schien der Gipfel so unerreichbarund ehe man sich versah, war man plötzlich auch schon da. Durch die Kletterei war man auch so konzentriert, dass es einem gar nicht so anstrengend vorkam. Als ich oben ankam, blockierte eine riesige Gruppe den Gipfel, aber zum Glück gingen die nach 5 min weiter und es wurde ruhiger.

Der Ausblick von hier oben war unbeschreiblich. Im Süden das Steinerne Meer, am Horizont die schneebedeckten Bergketten. Man konnte bis zum Kitzsteinhorn und nach Obertauern schauen. Ich konnte mich gar nicht sattsehen.

Alle, die oben ankamen, posten natürlich als Erstes am Gipfelkreuz.

Ich auch!!!!!!!!!!

Das ist der Blick zurück zum Hocheck. Von da kam ich.

Und da musste ich noch hin... (Da seht ihr übrigens gerade die Gruppe im Abstieg. Das kann doch keinen Spaß machen mit so vielen Leuten!)


Aber da, wo der Stau war, gabs ne schwierige Stelle, an der ich auch ein wenig ins Stocken geriet. Da fehlte irgendwie ein Tritt bergab und die Beine waren zu kurz, um direkt nach unten zu kommen. Da musste man sich an so ner Eisenstange festhalten und  runterrutschen. Da hofft man einfach nur, dass das Zeug auch fest ist. Denn hin und wieder sieht man auch mal so rausgerissene Haken wie auf dem Bild links...

Auf dem Bild sieht man mal ganz gut, dass man schon ein bisschen klettern musste. Da, wo die Gruppe steht, ging es links n Stück runter in diese Scharte. Da passte ich mit meinem Rucksack auch gerade noch so durch.

Spannender waren aber Stellen wie diese, die zwar leichter aussehen, wo aber kein Drahlseil existiert und es trotzdem steil runter geht und man keinen falschen Schritt machen oder das Gleichgewicht verlieren sollte.

Durchatmen. Ich hänge ich wieder sicher in den Seilen... :-)

Und so kann man zwischendrin auch immer wieder die grandiose Aussicht genießen.

Unglaublich, wie sich durch das unwegsame Gelände doch irgendwie ein "Weg" über den Grad auftut.

Da unten in der Mitte seht ihr das 3. Watzmannkind, auf dem ich gestern war. Was gestern groß und hoch erschien, wirkt heute wie ein kleines Licht im gigantischen Gipfelmeer.

Noch mal der Blick zurück zur Watzmann-Mittelspitze. Rechts unten die Watzmannkinder und dahinter der etwas größere Berg ist die Watzmannfrau. Sieht doch nach ner glücklichen Familie aus... :-)

Ich befinde mich nach wie vor auf dem Watz-MANN und muss noch da hinter zum Südgipfel.


Und da bin ich auch schon da!!!! Hurra!!!!! Gipfelkreuz, das 3.

Zusammen mit den Alpendohlen genoss ich das Gipfelglück.

Was ich allerdings definitiv nicht mehr genossen habe, war der Abstieg. Denn der ist das Härteste der ganzen Tour. Von 2.712 m steigt man zur Wimbachgriesshütte auf 1.327 m ab. Und da wechselten sich Kletterpassagen, ausgewaschene Stellen, in denen man sich über Stahlketten "abseilt",  und hässliche rutschige Kies- und Geröllfelder ab. Es wurde einem noch einiges an Kraft abverlangt und mit jedem Meter, den man tiefer kam, wurde es noch mal heißer. Bei über 30 Grad sehnten sich alle nur noch nach Wasser. Meine 3 l waren auch längst aufgebraucht und im Tal floss leider auch kein "Wimbach". Alles war ausgetrocknet. 

Hätte ich statt warmen Wintersachen lieber einen 10 l Wassertank über den Watzmann geschleppt, hätte ich mir sicherlich viele Freunde gemacht. Denn so mancher kroch am Ende wirklich auf dem Zahnfleisch und ein Mann war dermaßen dehydriert, dass er sich fast hätte vom Heli abholen lassen, weil er einfach nicht mehr konnte. Aber am Ende haben alle die Hütte erreicht und die Kräfte kamen nach dem ersten Getränk schnell zurück. Der Stolz, es geschafft zu haben, kam bei mir erst einen Tag später beim Anblick der gewaltigen Südspitze.

Tag 3 (Wimbachgriesshütte - Hundstodgatterl - Ingolstädter Haus - Steinernes Meer - Riemannhaus)

Als ich am nächsten Tag aus dieser Perspektive auf die Südspitze blickte, habe ich erst mal verarbeitet, was ich da am Vortag eigentlich geleistet hatte. Ich hatte heroische Filmmusik im Ohr und blickte ehrfürchtig  auf diesen Berg. Eine Mischung aus Glück, Stolz und Respekt machte sich in mir breit und ich vergoss sogar ein paar kleine Tränchen. Immer wieder musste ich mich umdrehen, stehenbleiben und auf diesen Gipfel schauen. Es war wie Magie. Ich spürte totale Erfüllung, aber leider auch den Muskelkater in den Gliedern, der das Wandern heute etwas erschwerte... :-(

Durch dieses Steinfeld musste ich mich bergab durchkämpfen. Mit Muskelkater in den Oberschenkeln eine nicht so schöne Angelegenheit...

Auf der anderen Seite wieder hoch, und da sah man von Weitem auch schon die Ingolstädter Hütte.

Es geht auch ohne Muskelkater. Man kann nämlich auch mit dem Heli zur Ingolstädter Hütte kommen, etwas essen und wieder runter fliegen, wie es ein paar Herrschaften vom Nachbartisch taten. 

Auch wenn die Hütte grandios liegt, nach einer Stärkung entschiedich mich, noch die 3,5 h durchs Steinerne Meer zum Riemannhaus zu laufen.

Wenn man das Steinerne Meer aus der Ferne sieht, wirkt es so karg und trostlos, wenn man es aber durchwandert, ist es abwechslungsreich und so unglaublich fotogen und sieht aus jedem Blickwinkel anders aus.

Und zwischen all den Steinen wachsen sogar Blumen.

Das Riemannhaus liegt auch schon wieder soooooooooooo genial.

Das war der Ausblick von der Terrasse. Einfach herrlich.  Was für ein Tag!!!

Tag 4 (Riemannhaus - Kärlingerhaus - Grünsee - Halsköpfli - Wasseralm)

Durchs Steinerne Meer gings nun zurück in die tieferen Gefilde, denn es sollte schlechtes Wetter im Anmarsch sein.

Frühstück hatte ich weggelassen. Das gabs beim Kärlinger Haus, welches megaidyllisch am Funtensee liegt.

Es ging später an so einigen Seen vorbei, hier der Grünsee.

Und immer noch war der Watzmann zu sehen. Von dieser Seite aber sieht er gar nicht mehr so spektakulär aus.

Spektakulär war aber dann wieder der wunderschöne Ausblick vom Halsköpfli auf den Königssee.

Idyllisch im Grünen liegt die Wasseralm. Das war meine letzte Übernachtungsstation.

Hier gab es dann auch das wohlverdiente Abschlussradler, denn am nächsten Tag sollte nun wirklich das schlechte Wetter kommen. Heute war es wider Erwarten noch einmal richtig schön und ich saß noch den ganzen Abend draußen mit netten Leuten und habe sogar ne Partie Kniffel gewonnen. :-)

Tag 5 (Wasseralm - Gotzenalm - Bootsanleger Kessel)

Nun war er tatsächlich da, der schon für gestern angekündigte Wetterumschwung. Die Wolken hingen tief und es regnete, so dass ich entschied, meine Tour heute zu beenden. Röthsteig oder Schneibstein kamen für mich bei dem Wetter nicht mehr infrage, so dass ich den entspannten Weg über die Gotzenalm wählte, wo ich mir zum Abschied noch ne große Portion Kaiserschmarrn gönnte. Unterwegs tummelten sich Unmengen dieser kleinen schwarzen Alpensalamander am Wegesrand. Das war ganz süß.

Nun hieß es Endspurt zum Bootsanleger in Kessel. Da das ein Anleger ist, der nur bei Bedarf angefahren wird, muss man ein oranges Schild einschieben, um das nächste Boot sozusagen zu "rufen". Und nur für mich ganz allein kam das Boot schließlich angefahren. Drinnen saßen lauter trockene Menschen, die sich 2 Stunden über den See fahren ließen und mich ungläubig anschauten, wo ich denn bei dem Mistwetter herkam. Da der Bootsführer wahrscheinlich auch Mitleid mit mir hatte, durfte ich sogar kostenlos mitfahren. :-)


Grau in Grau verabschiedet sich der Königssee von mir. Aber bei 4 Tagen Bilderbuchwetter brauchte ich mich nicht beklagen, denn ich hatte die Gegend unter grandiosen Bedingungen kennenlernen dürfen. Schön wars! :-)


Hier sind noch mal die Tagesetappen auf der Karte veranschaulicht: