Tagebuch meiner ersten Transalp


Die Idee

Einmal die Alpen mit dem Fahrrad überqueren, und das möglichst wenig auf Asphalt. Jeden Pass mitnehmen, der auf dem Weg liegt, auch, wenn man das Rad mal schieben oder tragen muss, schöne Trails bergab fahren, Kaiserschmarrn essen ohne Ende, das Bergpanorama täglich inhalieren, auf Hütten über den Wolken übernachten und interessante Weggefährten treffen, das war mein Traum.  Und ich habe ihn wahr werden lassen. Als grobe Orientierung kaufte ich mir die Bücher von Achim Zahn, die auch GPS-Tracks enthalten, die man gemäß Baukastensystem individuell zusammenstellen kann.

Zahn war allerdings ein schlechtes Omen, denn aufgrund von Zahnschmerzen verzögerte sich meine Reise. Und mein Gepäck erweiterte sich um eine Spritze, eine Pinzette, eine Kanüle, Tupfer und Antibiotikum. Was man halt so braucht auf ner Transalp... Als ob mein Rucksack nicht schon voll genug wäre :-)


 

Starthilfe auf der ersten Etappe

Tag 1 : Mittenwald - Gernalm (60 km, 1.693 hm bergauf, 1.434 hm bergab)

Los gings in Mittenwald. Am ersten Tag hat mich meine Freundin Christine aus Gaissach begleitet. Untrainiert wie ich war und mit vollem Gepäck konnte ich tempomäßig nur beim Kaiserschmarrnessen mit ihr mithalten.  Aber sie hatte beim Warten Gesellschaft: einen Mann, der auch ständig auf seine Frau warten musste. Krass nur, dass er jedes mal ne Zigarette rauchte. Uns so hatte er mal ganz sportlich auf dem Weg nach oben zum Karwendelhaus ne ganze Schachtel verdrückt. Also Sport und Rauchen verträgt sich wohl doch. Die Frau hatte auf halber Strecke angefangen zu schieben. Das Frustrierende ist, dass man im kleinsten Gang auch nicht schneller ist... Na ja, ich tröstete mich damit, dass es der erste Tag war und man es schließlich langsam angehen sollte. Mit der ersten Portion Kaiserschmarrn im Bauch ging es bergab dann deutlich schneller, bis der Anstieg zum Plumsjoch mich wieder auf den Boden der Realität zurückholte. Aber als Belohnung standen oben ein paar Gemsen Spalier, so dass die Strapazen ganz schnell vergessen waren. Ich war unglaublich glücklich. Die Abendstimmung, die Ruhe, kein Mensch mehr unterwegs. Einfach herrlich. Allerdings war ich dann auch froh, kurz vor Einbruch der Dunkelheit die Gernalm erreicht zu haben, wo ich schon von 4 anderen Bikern erwartet wurde, die ich unterwegs kennengelernt hatte.

 

Kitschig schön, der Aachensee

Tag 2: Gernalm - Weidener Hütte (55 km, 1560 hm bergauf, 949 hm bergab)

Nach einem lustigen Abend mit den 4 Jungs, die leider heute ein anderes Etappenziel als ich hatten, ging es bei  Traumwetter erst mal bergab. Über einen  wunderschönen Wurzeltrail gelangte ich direkt an den Aachensee in Pertisau. Kitschig schön war es dort. Ich genoss den Anblick des türkisblauen Wassers, bevor ich mich einen endlos langen Anstieg zur Weidener Hütte hochquälte. Es gibt tatsächlich Schöneres, als 1.300 m am Stück bergauf zu fahren. Aber dank meines GPS habe ich wenigstens den richtigen Weg gefunden. Die 4 Jungs, von denen ich mich eigentlich am Morgen verabschiedet hatte, hatten sich arg verfahren, so dass sie ihr eigentliches Etappenziel aufgeben und ebenfalls auf der Weidener Hütte bleiben mussten. So sah man sich wieder. Vielleicht hatten sie auch einfach Sehnsucht nach mir... :-)

 

Gipfelfrühstück am Geißeljoch

Tag 3: Weidener Hütte - Nösslach (50 km, 1954 hm bergauf, 2.376 hm bergab)

Heute Morgen wusste ich schon wieder, warum ich mir gestern den Anstieg zur Weidener Hütte angetan habe. Es ist einfach genial, früh von den Kuhglocken geweckt zu werden, aus dem Fenster zu schauen und ein tolles Panorama genießen zu können. Die 500 Höhenmeter zum Geiseljoch (2.291) fuhren sich dann gleich viel leichter. Und jedes Joch birgt ja so einen Überraschungseffekt in sich. Was wird man auf der anderen Seite des Berges sehen? Und da waren sie, die ersten schneebedeckten Berge und Gletscher. Ich war gerührt und genoss mein Gipfelfrühstück. Hatte schließlich noch nichts gegessen auf der Hütte und schleppte immer noch Reste aus meinem Kühlschrank von zu Hause mit. Gewicht, das man natürlich sparen kann, aber ein Genuss, auf den ich irgendwie auch nicht verzichten wollte. So ein Gipfelbrot schmeckt einfach noch mal besser als ein Frühstücksbuffet auf der Hütte. In Abweichung vom Originaltrack fuhr (und schob) ich über ein paar Extra-Trails ins Tal, bevor es wieder nach oben zum Tuxer Joch (2.338) ging. Nachdem ich mich schon das eine oder andere Steilstück durchgebissen hatte und Applaus von den Ausflügern bekam, die mit der Gondel von Hintertux raufgefahren kamen, hatte ich für die letzte Schotterserpentinen dann keine Kraft mehr zum Fahren und schob mein Rad die letzten Höhenmeter zum Tuxer-Joch-Haus hoch, wo ich mir nen Apfelstrudel und ne Cola verdient hatte. Das übrigens in netter Gesellschaft von 2 Chemnitzern. Ja, die Sachsen sind eben überall... :-)


Begegnung mit den Murmeltieren

Tag 4: Nösslach - Enzianhütte (33 km; 1.565 hm bergauf, 1.052 hm bergab)

Heute ist der erste trübe Tag. Die Wolken hängen tief, aber zumindest regnet es nicht wie angekündigt. Ich muss heute über den Brenner. Trotz Wolken entscheide ich mich, über den Sattelberg zu fahren. Das Aufregendste heute war, beim "Bösen Bauern" vorbeizumüssen. Dieser wurde 1998 nicht um Erlaubnis gefragt, als 200 m der Transalp Challenge über sein Land führten. Nun herrscht absolutes Bikeverbot auf seinem Grund und Boden, und als Mountainbiker sollte man ihm besser nicht begegnen. Riesige Schilder und ein Tor machten das deutlich. Die Alternative wäre ein 30-minütiges Schiebestück bergauf. Was war das geringere Übel? Ich entschied mich, die Begegnung mit dem bösen Bauern zu riskieren. Als sein Haus in Sichtweite kam, habe ich mich dann doch ein wenig abgeduckt, wusste ich doch nicht, ob er mit der Mistgabel auf mich losgeht oder mich mit Steinen bewerfen würde. Aber alles lief gut. Bei dem trüben Wetter wollte der wahrscheinlich auch nicht raus. Glück gehabt! :-)

Oben auf dem alten Militärweg wimmelte es dann nur so von Murmeltieren. Ich glaube, ich habe eine Stunde da einfach nur gestanden und dem "murmelnden" Treiben zugeschaut. Die Kleinen tollten unbeschwert herum und frasen Kuhscheiße, während die Eltern immer mal wieder nach ihnen pfiffen. Aber nach einer Weile ließen sie sich von mir überhaupt nicht mehr stören, und ich habe sie aus nächster Nähe betrachten können. Einfach süß und irgendwie zum Knuddeln, diese Viecher.

Und während "Zahn" laut Tourbeschreibung 12 langezogene Kehren zum Brennerbad "runterbrettert", wähle ich einen wunderschönen Trail. Da ich mich noch kurz unter der Wolkengrenze befand, wurde das für heute schon abgeschriebene Trailerlebnis dann doch noch möglich. Es war ein Genusstrail mit einem "Genusssturz". Bin einmal mit der Pedale in den Heidelbeersträuchern hängengebliben, aber ganz weich dann auch in eben diesen gelandet. Blaue Flecken kommen also von Blaubeersträuchern??? :-)

Unten angekommen, war ich dann bereits in Italien. Statt Zoll und Grenzpolizei also ein Murmeltierkommando. Schön, so ein Europa ohne Grenzen. Ein Anstieg noch zur Enzianhütte und auch dieser Tag war geschafft. Leider war ich auf der Hütte die Einzige, so dass es der 2. Abend in Folge war, der etwas ungesellig war. Die Nacht zuvor hatte ich mich nämlich auch nur in einem Privatzimmer einquartiert.

 

Wo ist eigentlich der Weg?

Tag 5: Enzianhütte - Pfunders (31 km, 1.575 hm bergauf, 2.296 hm bergab)

Nach dem gestrigen trüben Tag war heute wieder die Sonne mit mir unterwegs. Ich startete zum Schlüsseljoch (2.212). Von da aus führten 2 Wanderwege runter nach Kematen, einer in über 2 h, der andere in reichlich einer Stunde. Klar, für welchen ich mich entscheiden würde, oder? Der kürzere Weg war zwar noch nicht mal auf meinem GPS eingezeichnet, aber er war markiert und versprach mehr Abenteuer. Oben ließ er sich auch wunderbar fahren. Unten war er dann dermaßen zugewuchert, dass ich mir Kraft meiner Geschwindigkeit den Weg durch die Büsche bahnen musste. Da ist doch seit Tagen niemand mehr langgelaufen, so verwachsen wie dort alles war. Aber ich habe es ja so gewollt und die rot-weißen Wegmarkierungen gaben mir zumindest die Sicherheit, dass das theoretisch ein Weg sein soll. Zumindest so lange, bis der vermutete Weg auf eine riesengroße Wiese mündete, auf der dann leider nicht mehr ersichtlich war, wie es eigentlich weiterging. Nach langem Suchen habe ich den Einstieg in den Wald dann doch gefunden und das letzte Stück fühlte sich dann sogar wieder wie ein Weg an, der die Bezeichnung Weg auch verdient. Als ich in Kematen wie gewollt rauskam, war ich doch kurz mal froh über ein bisschen Zivilisation.

Dieser entfloh ich allerdings ganz schnell wieder, denn meine Tour ging weiter übers Pfunderer Joch (2.568), dem höchsten Punkt meiner Tour. Ein Traumpanorama erwartete mich da oben. Ein letztes Schneefeld bewies, dass dort aber auch im Sommer ein rauhes Klima herrscht. An diesem sonnigen Tag war davon aber nichts zu spüren. Dachte ich, als ich bei blauem Himmel und Sonnenschein gemütlich meine Fotos mit Selbstauslöser schoss. Innerhalb von Sekunden zog es plötzlich zu.  Von der traumhaften Kulisse war nichts mehr zu sehen. Wie ein Vorhang schoben sich die Wolken vor die Berge. Kleine Hagelkörner massierten mein Gesicht. Zum Glück hatte ich den Trail noch genießen können und war fast unten angelangt, als dicke Regentropfen aus den Wolken ausgekippt wurden. Blöderweise hatte ich den Moment verpasst, meine Regensachen anzuziehen, hatte ich doch noch keine Erfahrung mit schlechtem Wetter gemacht. Und so war die letzte halbe Stunde Abfahrt durchs Pustertal verdammt kalt, und ich wollte nur noch irgendwo ankommen. Ich nahm den erstbesten Gasthof in Pfunders, der sich wie ein Geschenk des Himmels anfühlte. Und nach 2 Tagen abendlicher Einsamkeit hatte ich hier endlich auch wieder supernette Gesellschaft und einen unterhaltsamen Abend mit einem Ehepaar, das zu Fuß unterwegs war und wirklich lustige Stories zu erzählen hatte.

 

Party auf der Starkenfeldhütte

Tag 6: Pfunders - Starkenfeldhütte (41 km; 1.423 hm bergauf, 660 hm bergab)

Mein Körper ruft so langsam mal nach einem Pausentag, aber Pause ist zum einen langweilig alleine und zum anderen fahre ich ja die ganze Zeit vor dieser Schlechtwetterfront her. Und diesen Vorsprung will ich natürlich nicht aufgeben.  Ich hatte echt Glück am Pfunderer Joch. Ein Pärchen, welches ich am Abend auf der Hütte kennengelernt habe, die sind einen Tag nach mir da rüber und da lag oben komplett alles  voller Neuschnee. Aber statt Pause entscheide ich mich zumindest für ne kurze Etappe und fahre lediglich hoch zur Starkenfeldhütte und bin schon am frühen Nachmittag dort. Und der Abend wurde zu einem unvergesslichen. 4 Jungs aus Niederbayern kamen kurz nach mir mit dem Auto an, und dieses war voller Instrumente. Sie fragten den Wirt, ob sie ein bisschen musizieren dürften, weil einer von ihnen Papa geworden ist und das gefeiert werden müsste. Aus "ein bisschen musizieren" wurde ein megageiles Privatkonzert. Die Jungs rockten bis nachts halb 3 den Laden. Wir waren mit Personal und ein paar Bauern aus der Nachbarschaft vielleicht nur 20 Leute, aber die Stimmung war grandios. Aus der Küche wurden diverse Utensilien geholt, wie Milchkannen, Schneebesen und Reiben, damit alle mitklimpern konnten. Und die Jungs spielten Gitarre, trommelten, hatten ne große Tuba dabei, Akkordeons. Sie sangen lustige Lieder, sie sangen Balladen. Sie sangen bayrisch, sie sangen italienisch. Zwischendurch erzählten sie Witze, es war richtig, richtig gut. Am Lichtschalter simulierte einer das Stroposkop, und ein alter Bauer mit Seppelhut tanzte, was das Zeug hielt. Vom leckeren Essen kann ich leider keine Kostprobe bieten, aber von der Musik:

 

Die Sachsen sind überall

Tag 7:  Starkenfeldhütte - Schlüterhütte (35 km, 1.598 hm bergauf, 1.238 hm bergab)

Bis halb 3 morgens habe ich nicht mitgefeiert, denn ich wollte nicht noch einen Kater auf meiner Tour "mitschleppen". Am nächsten Tag fuhr ich das erste Teilstück mit einem Pärchen. Na ja, eigentlich war ich vor ihnen gestartet und war schon wieder meine "Extra-Trails" gefahren, als ich die beiden auf dem Forstweg traf,  als ich gerade aus dem Wald kam. So ergab es sich, dass wir gemeinsam weiterfuhren.  Endlich mal ein Mädel, welches so in etwa auch leistungstechnisch auf meinem Level war und mir erstmalig das Gefühl gab, dass es vielleicht doch nicht ganz übers Knie gebrochen war, mit so einer Kondition ne Transalp zu fahren.  Als sich unsere Wege trennten, folgte ein wunderbarer Trail und die ersten Ausläufer der Dolomiten erfreuten mein Herz. Es ist schon noch mal eine ganz andere Bergwelt, bizarrer und rauher als die Alpen. Ich gönnte mir mittags den obligatorischen Kaiserschmarrn und ne Cola und über Lüsner Joch (2.008), Würzjoch (1.987) und Kreuzkofeljoch (2.340) gings zur Schlüterhütte.

Beim Aufstieg zur Peitlerscharte fing es leider an, ein wenig zu tröpfeln, aber ich war ja lernfähig, schlüpfte diesmal sofort in meine Regenhose und so war der Trail zur Schlüterhütte dann dennoch ein Genuss. Auf dem Weg lernte ich ein paar Dresdner kennen, mit denen ich dann auch den Abend auf der Hütte verbrachte, die witzigerweise auch zur Sektion Dresden des Alpenvereins gehörte. Im Eingangsbereich hing ein Bild von Dresden, der Canaletto-Blick.  Na wenn da mal keine Heimatgefühle aufkamen.

Wir hatten aber auch einen Franzosen in unsere Runde aufgenommen, mit dem wir mit Skizzen kommunizierten. Na, was will uns diese Aufzeichnung sagen? Kleiner Tipp: Es geht um Beziehungen und das Verhältnis zwischen Männern und Frauen... :-) Tja, diese Problematik scheint wohl international zu sein... :-)

 

Kuchen am Schlern

Tag 8: Schlüterhütte - Mahlknechthütte (36 km, 1.520 hm bergauf, 1.757 hm bergab)

Über den Adolf-Munkel-Weg, auf dem Bike-Verbot herrscht (allerdings war der mit meinem Fahrkönnen bergauf auch nicht wirklich einladend zum Fahren) schob ich am Morgen mein Rad hoch zum Broglessattel (2.119). Auf dem Wanderweg Nummer 5, der bis ins Tal sehr gut fahrbahr war und richtig Spaß gemacht hat, gings bergab nach St.Ulrich. Da gabs ein Eis, welches auf dem Anstieg hoch zur Seiser Alm schnell verdaut war. Da oben wimmelte es nur so von Touristen. Aber es war auch einfach kitschig schön mit diesem Blick auf Schlern, Lang- und Plattkofel. Fast hätte ich ne Kremserfahrt gebucht und mein Rad verkauft.... Nein, aber einen erneuten Kuchenstopp zwischen all den Rentnern auf einer gemütlichen Wiesenhütte konnte ich mir dann doch nicht verkneifen.  

 

Tierisches Vergnügen

Tag 9: Mahlknechthütte - Rifugio Viel Dal Pan (30 km, 1.455 hm bergauf, 987 hm bergab)

Über den Passo Duron (2.168) ging es auf den Schneidweg. Im Frühnebel strampelte ich mit meinem Rad auf den Pass. Der Tag erinnerte mich so an meine Wanderung in Neuseeland zum Mt. Dom. Nebel, Nebel, Nebel. Die fehlende Sicht machte den Anstieg schwer. Aber oben angekommen, riss plötzlich alles auf und man stand plötzlich über den Wolken. Da wirkt auf einmal alles so sureal. Die Welt da unten im Tal ist in Watte gehüllt, während man sich oben wie Gott im Himmel fühlt.

Heute traf ich auf die erste Bikergruppe, die organisiert mit einem Veranstalter unterwegs war (Australier mit einem französichen Guide). Hatten die es gut. Kleines Gepäck, am Mittagsstopp wartete ein Auto mit Verpflegung und Radservice auf sie. Aber sie waren sehr nett zu mir, teilten ihre Riegel mit mir, schenkten mir Obst und hoben mein Rad über alle Zäune. Denn das Pferd ließ mich ja nicht durch das Gatter durch. Keinen Schritt bewegte es sich zur Seite. Die Begegnung mit den Pferden war aber allerliebst. Die waren einfach so neugierig, gesellig, ja fast kuschelbedürftig. Die interessierten sich für unsere Rucksäcke, die Räder, leckten die Speichen an und wären am liebsten mit uns mitgekommen. Einfach total süß.

Bis zur bekannten Sellagruppe bzw. dem Sellajoch fuhr ich mit den Aussis. Dann trennten sich unsere Wege, denn ich hatte eine Extra-Runde um die Marmolada eingebaut. Da es abends immer zuzog, entschied ich mich, oben auf einer Hütte gegenüber der Marmolada zu bleiben, in der Hoffnung, am Morgen diese geile "Über-den-Wolken-Stimmung" genießen zu können. Mein Endziel hieß also Rifugio Viel Dal Pan. Das liegt so genial auf 2.432 m Höhe direkt am Einstieg des Bindelweges Aug in Aug mit der Marmolada, dass ich es von der Lage her zur schönsten Hütte meiner Tour gekürt habe.

 

Über den Wolken

Tag 10: Rifugio Viel Dal Pan - Rifugio Passo di Lusia (42 km, 1.800 hm bergauf, 2.180 hm bergab)

Nachdem ich auch noch ein Zimmer mit Blick auf die Marmolada bekommen hatte und am Morgen den Blick vom Fenster kaum wenden konnte, war klar, ich hatte mal wieder alles richtig gemacht. Es war so unglaublich schön, den Sonnenaufgang auf 2.432 m Höhe erleben zu dürfen. Der Gipfel der Marmolada und die umliegenden berge färbten sich für einen Moment in kräftiges Rot, wie es die Kamera leider gar nicht einfangen konnte. Die Farben wechselten im Minutentakt und erzeugten immer wieder eine andere Lichtstimmung. Ich kam nicht dazu, meinen Rucksack zu packen, weil ich immer wieder ans Fenster bzw. den Balkon treten und rausschauen musste. Es war wunderschön. Und wunderschön war es natürlich auch, in dieser Morgenstimmung den Bindelweg runter zum Stausee zu fahren. Weiter gings zum Forca Rossa-Pass. Laut dem Buch von Zahn, der alle Pässe nach Schwierigkeitsstufen eingeordent hat, der einzig schwarze. Blaue Pässe sind leicht, grüne leicht bis mittel, rote mittel bis schwer und schwarze nur noch schwer. Das habe ich oben auch gemerkt, als selbst das Schieben des rades auf einem Trail mit losem Geröll an den Kräften zehrte. Der Trail auf der anderen Seite war zwar wunderschön, aber die Abfahrt glich einer Schlammschlacht. Auch wenn man als Biker cool ist mit so nem dreckigen rad, so habe ich mich und mein Bike dann doch an der nächsten Kuhtränke erst mal einer Komfortwäsche unterzogen. Ich hätte ja gar nicht mehr aus den Flaschen trinken können, ohne ne Ladung Schlamm da mit im Mund zu haben. Bloß gut, dass ich das gemacht habe. Sonst hätte ich am Passo di Lusia (2.055)  wahrscheinlich kein Asyl bekommen. Dazu mehr im Bericht der nächsten Etappe.

 

Glück gehabt

Tag 11:  Rifugio Passo di Lusia - Rifugio Refavaie (56 km, 1.495 hm bergauf, 2.473 hm bergab)

Die letzte Nacht hatte ich Glück, dass ich nicht im Freien schlafen musste. Da die Region um den Passo di Lusia einen sehr schlechten Sommer hatte, haben die meisten Hütten vorzeitig geschlossen. Da ich nie eine Unterkunft vorreserviert habe, um flexibel zu bleiben, bekam ich diesmal Probleme. Alle Hütten zu, der Weg bis zur nächsten Ortschaft zu weit und zurückfahren und Höhenmeter vernichten, die ich mir mühsam erkämpft hatte, kam auch nicht infrage. Ich hatte mir schon einen Holzunterschlupf ausgeguckt, der vor einem geschlossenen Refugio ein Dach und ne Bank zum Schlafen bot. Aber noch gabs eine Chance. Die Tür am geschlossenen Refugio Passo di Lusia war offen, und ich marschierte da einfach mal rein in der Hoffnung,  vielleicht jemanden anzutreffen, der mir helfen konnte. Die Inhaberin war zunächst sehr wütend und schrie mich mit ihrem italienischen Temperament an. "Wo?" Wo? Wo?" Bis ich verstand, dass sie wissen wollte, wo ich hereingekommen war. Ich zeigte ihr die offene Tür. Und eigentlich war sie nicht sauer auf mich, sondern auf ihren Sohn, der die Tür offengelassen hatte. Diesem Sohn war ich aber sehr dankbar, denn als sie mit dem nächsten "Wo?, Wo?, Wo?" dann wissen wollte, wo ich hin will, wurde ihr klar, dass sie einfach keine andere Wahl hatte, als mir Asyl zu geben. Ich war echt froh, denn in der Ferne hörte ich schon das Grollen eines Gewitters. Und ich wollte mich auf keinem Fall einem Risiko aussetzen. Unterm Strich war es dann aber ein ganz netter Abend und mir wurde viel Gastfreundschaft entgegengebracht. Ich aß zusammen mit den beiden Eigentümern der Hütte, trank mit ihnen Wein und sie kramten alles an Deutsch raus, was sie konnten. Sie heizten den Kamin, und ich wurde verwöhnt mit dem leckersten selbstgebackenen Birnen-Schoko-Kuchen der ganzen Tour. Sie erzählten mir, dass im ganzen Sommer nur 30 Leute auf der Hütte übernachtet haben, weil es so viel geregnet hat. Krass. Damit ich heute nicht wieder so ein blaues Wunder erleben muss, verabschiedete sich die Wirtin bei mir mit den Worten, sie hätte beim Refugio Refavaie (ich hatte am Abend erzählt, wo es hingehen sollte) angerufen und ein Zimmer für mich reserviert. Ist ja irgendwie auch goldig. Und es hat sich sogar bezahlt gemacht. Denn 3 Jungs, die eigentlich vor mir am Refugio eintrafen, mussten mit dem Lager vorlieb nehmen, während ich für den gleichen Preis das Zimmer bekam, weil ich ja reserviert hatte.  Aber die Jungs waren nicht böse auf mich... Im Gegenteil, wir haben am Abend zusammen Rotwein getrunken und lecker gegessen.

 

Neue Bekanntschaften

Tag 12: Rifugio Refaivaie - Rifugio Barricata (59 km, 2.1113 hm bergauf, 1.898 hm bergab)

Die Jungs ließ ich am Morgen von dannen ziehen mit dem Kommentar, sie sollen schon mal ein Zimmer für mich reservieren. Sie fuhren nämlich die gleiche Tour, hatten also die gleichen Etappenziele wie ich und wollten auch zum Gardasee. Die heutige Etappe war aber ziemlich langweilig, weil so viel Asphalt zu fahren war. Um ein bisschen Spannung reinzubringen, machte ich einen Abstecher zu den alten Tunneln, durch die man früher gefahren ist. Leider kommt man da aber nicht mehr durch. Am Rifugio angekommen, zahlte es sich tatsächlich aus, dass die Jungs mich schon angekündigt hatten. Denn so kam ich direkt aufs Zimmer, während die Jungs ne halbe Stunde warten mussten, bis es fertig war. Schön, wenn man so einen Spähtrupp vorausschicken kann. :-)

 

Verlängerung

Tag 13: Rifugio Barricata - Posina (93 km, 2.235 hm bergauf, 3.030 hm bergab)

Heute startete ich vor den Jungs. Mal sehen, wann und wo sie mich einholen. Irgendwie lustig, diese Vorstellung, dass sie ja irgendwann kommen und mich "überrunden" müssen. Da sie die heutige Etappeschon  etwas weiter Richtung Gardasee fahren wollten, um am letzten Tag nicht so spät anzukommen, verabschiedete ich mich mal sicherheitshalber bei ihnen, als sie mich eingeholt hatten. Wir machten ein Abschiedsfoto und ich wünschte ihnen  noch viel Spaß. Aber es kam anders. Irgendwie zogen sie mich mit und ich fiel gar nicht so weit ab. Und so ergab es sich, dass sie mich in ihre Runde aufnahmen und wir am Ende sogar bis zum Gardasee alles gemeinsam fuhren. Bergauf waren sie natürlich schneller als ich, aber da sie ohne GPS fuhren, verloren sie einfach viel Zeit beim Auf-die Karte-Schauen und spekulieren, welches wohl nun der richtige Weg war. Und so profitierten wir irgendwie voneinander. Die Zeit, die sie einbüßten, weil ich etwas langsamer war (das galt aber nur bergauf! :-), holten sie wieder rein, weil ich das GPS dabei hatte. Der Plan, die Etappe heute etwas zu verlängern, bedeutete leider, dass wir erst sehr spät ankamen, so dass wir uns im Supermarkt sicherheitshalber noch nmit etwas Proviant eindeckten. wer weiß, ob es am Abend noch was gab. Die letzten meter fuhren wir dann auch schon im Dunkeln und beteten, dass es in Posina, den ort, den wir uns ausgeguckt hatten, auch ne Unterkunft für uns gab. Aber wir hatten Glück, der erst etwas schäbig wirkende Gasthof im Ort entpuppte sich als wahrer Geheimtipp. Geiles und üppiges Essen und ne Unterkunft, die fast schon Museumscharakter hatte. Alles aus Holz und ein Zimmer hatte sogar nen alten Steinwaschtisch, den wir zum Trocknen unserer Klamotten mißbrauchten. Es war also alles bestens!

 

Das Ziel vor Augen

Tag 14: Posina - Riva am Gardasee (73 km, 1.867 hm bergauf, 2.328 hm bergab)

Heute war ein besonderer Tag. Es ging auf die letzte Etappe. Über den Pasubio (1.928), dessen steile Schotterpisteder mir noch mal alles abverlangt hat, ging es schließlich bergab zum Gardasee. Eisessen um 15 Uhr haben wir aber leider nicht mehr geschafft, da ich die Jungs noch über einen abenteuerlichen und technisch anspruchsvollen Trail mit unangekündigten Tragepassagen gescheucht habe. Da musste man streckenweise auch schwindelfrei und hochkonzentriert sein. Ich habs genossen, bei so was endlich mal in Begleitung fahren zu können und nicht aus Sicherheitsgründen ständig absteigen oder defensiv fahren zu müssen. Bewusst war mir das aber vorher nicht, denn der Zahn verschweigt schon mal das eine oder andere Tragestück oder muss ein Superheld sein, der Luftkissen in seinem Fahrrad hat und über gewisse Pasagen einfach drüberschwebt. Man weiß es nicht. Im Internet haben sich aber schon einige darüber ausgelassen. Ich stehe da also nicht allein mit meiner Meinung. Nichtsdestotrotz sind wir schließlich überglücklich am Gardasee angekommen.  ich wahrscheinlich am glücklichsten, weil ich ja noch nie in meinem Leben am Gardasee war. Die Jungs hatten da schon ihre Stammpizzeria und die Stammbar. Und natürlich sind wir da hin und haben bis halb 3 morgens unseren Erfolg begossen.

 

 

Entspannung am Gardasee

Tag 15: Riva  (40 km, 1.500 hm bergauf, 1.500 hm bergab)

Die Jungs mussten heute leider schon zurück. Ich habe aber noch einen Entspannungstag eingelegt und mich ein bisschen in der Umgebung umgeschaut. Na ja, wie Entspannung bei mir eben aussieht. Gemütlich im Cafe oder am Ufer sitzen oder baden gehen war zwar der Plan, aber so was kann ich einfach nicht gut, und so bin ich noch mal ne "kleine" Runde gefahren. Am Abend habe ich mir dann auch noch diese Riesenpizza und nen halben Liter Rotwein gegönnt. Schön wars! Und mkt Sicherheit werde ich die Alpen noch mal überqueren. Dann natürlich an anderer Stelle.