Der Schock

Nachdem ich mein schäbiges Zimmer in Delhi bezogen hatte, welches im Internet deutlich einladender aussah als in der Realität, blieb nur noch die Flucht in die Stadt, um sich nicht allzu lange da aufhalten zu müssen. Der Reiseführer empfahl, mit dem Gandhi-Museum anzufangen, um dem Trubel der Stadt ein wenig zu entkommen. Sollte das ein Witz sein???

Menschenmassen schoben sich durch die Räume. Sobald man stehenblieb, wurde man per Trillerpfeife von einem Sicherheitsbeamten aufgefordert, weiterzugehen. Ernsthaft irgendwelche Fotos an den Wänden anzuschauen, war unmöglich, geschweige denn, etwas von den Erklärungen zu lesen. Man schob sich regelrecht von Raum zu Raum.

 

Bereits das Anstehen am Eingang war reichlich unangenehm. Entweder spürte ich die Brüste der Frau hinter mir im Rücken oder ich hatte gar ihre Hände an meiner Taille. Schnell lernte ich, dass ich dies auch tun musste, weil sich bei meinem europäischen Abstandsempfinden ständig andere Personen vor mich in die Schlange stellten.

 

Ich hatte mich vor meiner Reise ja schon etwas belesen und war auf einiges vorbereitet, was mich so erwarten wird, aber förmlich am eigenen Leib zu spüren, dass Indien nach China das bevölkerungsreichste Land der Erde ist, war dann doch intensiver als erwartet.

 

Das änderte sich auch auf dem Basar in der Altstadt nicht. Es wurde mit jedem Meter enger. Irgendwann steckte ich fest in den Menschenmassen. Nachdem es 10 min lang weder vor noch zurück ging und die Menschen nur noch ein Knäuel bildeten, kostete es mich weitere 20 min, den Rückzug anzutreten. 

Das hier ist nicht etwa eine Schlange... das ist der ganz "normale" Bürgersteig. Willkommen in Indien! :-)

Genuss oder Urlaub schreibt sich definitiv anders, doch ich gab nicht auf. Ich mobilisierte meine Kraft und besichtigte die nächsten Attraktionen, den Lotustempel und das Qutub Minar. Hier war zwar etwas mehr Raum, aber entspanntes Schlendern war ebenfalls nicht möglich, weil ich keine 2 min laufen konnte, ohne dass jemand ein Foto mit mir machen wollte. Und da ich nicht unhöflich sein wollte, willigte ich meist ein.

 

So eine Fotosession konnte dann je nach Größe der Familie schon mal 10 min dauern, denn jeder wollte sein persönliches Foto auch auf seinem eigenen Handy oder Fotoapparat haben. Und das dann auch noch in Varianten. Allein, dann noch mal mit der Schwester, dann mit der Oma, ach ja und ein Foto mit der ganzen Familie war auch unverzichtbar. Hier ein paar Beispiele...

Am Anfang war das ja noch ganz witzig, aber irgendwann erträgt man es einfach nicht mehr. Man wird angestarrt, angefasst und manchmal regelrecht verfolgt als wäre man ein Promi.

 

Dazu die ständigen Fragen: "What's your name?", "Where are you from?", "Are you married?" tönt es ununterbrochen. Mit Ignoranz kommt man nicht weiter. Die Inder sind mit einer Penetranz bestückt, dass sie einem wirklich die nächsten 5 min hinterherlaufen und die Fragen wie eine Endlosschleife wiederholen. Nach einer Weile hatte ich dann aber realisiert, dass man sie etwas schneller los wird, wenn man freundlich antwortet. Das "Freundlich" muss man sich in Indien aber spätestens abgewöhnen, wenn man es mit Verkäufern oder Rikscha-Fahrern zu tun hat. Ein freundliches "Nein, danke. Ich möchte nichts kaufen." oder "Ich brauche keine Rikscha!" scheint vom indischen Smog regelrecht verschluckt zu werden und kommt nicht wirklich auf der anderen Seite an.

 

Es ist dadurch unheimlich anstrengend, und ich bin ganz schön erschöpft von den vielen nervenden Menschen.

 

Wie sollte ich so nur die nächsten 6 Wochen überstehen?

 

Doch hier erst mal ein paar Fotos vom Sightseeing in Delhi:

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