Mit meinen Gefaehrten in Mordor

Nach der anstrengenden Besteigung des Mount Taranaki haette ich gern einen Ruhetag eingelegt, aber die Wetterprognosen liessen das leider nicht zu. Schliesslich war immer noch das Tongariro Crossing offen und dafuer brauchte ich gutes Wetter. Diese Wanderung nach Mordor (Herr der Ringe Fans werden das nachvollziehen koennen) lebt nunmal von der Sicht.

 

Und da es in Mordor von Orks nur so wimmelt, darf man diese Wanderung natuerlich nur zusammen mit seinen Gefaehrten machen. Eine Gefaehrtin kennt ihr bereits. Ich hatte mich mit Caroline, die ich auf der Coromandel Halbinsel kennengelernt hatte, verabredet. Da die Wanderung kein Rundweg ist, wollten wir uns am Endpunkt der Wanderung treffen, um dort ein Auto stehen zu lassen und mit dem anderen zum Beginn zu fahren. Clever, nicht? Schade nur, dass Caroline es am Morgen verschlafen hatte und ich keinen Handyempfang hatte... Nach 45 min startete ich die Wanderung von hinten und hinterlies Caroline eine Nachricht, dass sie andersherum laufen sollte und wir in der Mitte Autoschluessel tauschen koennen.

 

In der Hoffnung, dass das klappte, begann ich meinen 3 stuendigen Aufstieg. Es ging nur durch Wolken... Null Sicht... und ich fragte mich, ob ich nicht vielleicht am Morgen nochmal haette die Bedingungen checken sollen. Denn 3 Stunden Aufstieg, um dann nichts zu sehen, war nicht so das, was ich mir vorgestellt hatte. Ich war echt ein wenig frustriert, lief aber tapfer weiter. Da die Wanderung normalerweise andersherum gemacht wird (dann ist sie naemlich weniger anstrengend, weil sie fast nur bergab geht), war ausser mir auch niemand sonst unterwegs... es war stinklangweilig und es fiel mir schwer, mich zu motivieren.

 

Aber diese Situation fuehrte am Ende dazu, dass dies die Wanderung meines Lebens wurde... denn als ich oben angekommen war, ging wie auf Knopfdruck der Wolkenvorhang auf... die Kulisse, die vor mir lag, haette ich auch bei guter Sicht vorher nicht sehen koennen... Es ist sicher ohnehin ein erhebender Anblick, aber mit dem zeitgleichen aprupten Aufreissen des Himmels, war dieses Erlebnis einfach nochmal viel intensiver. Ich startete den Herr der Ringe Soundtrack und hatte in dem Moment wirklich Traenen in den Augen. Ich weiss nicht, ob vor Glueck, vor Ruehrung oder Ehrfurht dieser grandiosen Natur gegenueber...  es laesst sich nicht in Worte fassen kann, was ich in dem Moment empfunden habe. Es war einfach unglaublich! 

 

Als ich fast oben am roten Kraterrand angekommen war, traf ich meine "Gefaehrtin" Carolin und ebenfalls fast zeitgleich meinen anderen "Gefaehrten" Juergen, den ich am Tag zuvor am Mt. Taranaki kennengelernt hatte. Und da es ein perfekter Platz zum Verweilen war, taten wir das auch exzessiv... mit anderen Worten, wir haben eigentlich den ganzen Tag da gesessen und die Touristenstroeme, die ihre Shuttle-Busse erreichen mussten, an uns vorueberziehen lassen. Es war genial, da einfach ohne Zeitdruck bleiben und geniessen zu koennen. Erst als weit und breit kein Mensch mehr zu sehen war, setzten wir unsere Wanderung fort. Ich war wieder allein, was ich aber unheimlich genoss, weil ich dank der Musik meiner Phantasie freien Lauf lassen konnte. Ich sah die Schlachten im Tal foermlich vor mir und Mt. Doom wirkte noch bedrohlicher. Diese Wanderung war einfach etwas besonderes. Ich haette gern am naechsten Tag noch den Mt. Doom bestiegen und irgendwo mittendrin gezeltet, aber ihr wisst ja... die Wetterprognose sagte nur fuer diesen einen Tag gute Bedingungen voraus. Und vielleicht war es auch gut so, weil ich am naechsten Tag vielleicht nicht haette das gleiche noch einmal empfinden koennen.

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