Familienleben in Kashmir

Nach 3 Tagen in Delhi war ich aufgrund der vielen Menschen, Geräusche und Staus auf den Straßen bereits urlaubsreif. Ich sehnte mich nach etwas Ruhe und Natur. Auf eine Empfehlung hin entschied ich mich, 2 Wochen bei einer Gastfamilie in Kashmir zu wohnen.

 

Kashmir stand eigentlich überhaupt nicht auf meiner Reiseroute. Zum einen, weil man Kashmir im Sommer bereisen sollte, zum anderen, weil es aufgrund des Kashmirkonflikts da immer mal zu Unruhen kommen kann. Aber manchmal muss man eben gegen den Strom schwimmen, um ans Ziel zu kommen...:-) Und mal abgesehen davon, dass ich für die Temperaturen klamottentechnisch nicht gewappnet war (schliesslich reiste ich mit nur 12 kg Gepäck für 6 Wochen), war es eine wunderbare Erfahrung.

 

Mit dem Flugzeug ging es von Delhi ins nördlichste "Bundesland" von Indien. Ich landete in Kashmirs Hauptstadt Srinegar und wurde vom Fahrer der Familie abgeholt. Nach meiner Ankunft hatte ich einige Probleme, die Familiensituation zu durchschauen. Schliesslich leben in Indien mehrere Familien und Generationen in einem Haus. Und so brauchte ich einige Zeit, zu durchschauen, welche Kinder nun zu welchen Eltern gehörten.

 

Dazu kam der altersdemente Großvater, der eines Tages mein Zimmer ausgeräumt und die Hälfte meiner Sachen, Hauptsache technische Dinge inklusive der Kamera, mal bei sich in seinem Schrank verstaut hatte. Da er selbst mal Fotograf war, dachte er halt, das wäre seins... Danach hatte ich ein dickes Vorhängeschloss bekommen, aber das war echt alles ein wenig spuky, weil er trotzdem immer versuchte, an der Tür zu rütteln und sie aufzubekommen... Manchmal erkannte er seine eigene Schwiegertochter nicht mehr und wollte sie gewaltvoll aus dem Haus jagen... Das fand ich schon irgendwie auch beängstigend.

 

Dennoch, vom Rest der Familie wurde ich sofort herzlich aufgenommen und fühlte mich wohl und integriert. Ich lernte, mit den Händen zu essen (besser gesagt mit der rechten, weil die Inder sich ja mit der linken den Hintern abwischen), spielte mit den Kindern und machte mit Sana, der ältesten Tochter, zusammen die BWL-Hausaufgaben.

 

Auch lernte ich, ein wenig indisch zu kochen. Wir bereiteten Samosas zu, das sind frittierte Teigteilchen, die mit einer Masse aus Kartoffeln, Zwiebeln und Erbsen gefüllt sind. Dazu 4 verschiedene Hühnchengerichte, eines davon mit Lotuswurzeln aus dem nahegelegenen See bis hin zu Chicken-Kebab. Da steht einem aber nicht etwa fertiges Hackfleisch zur Verfügung oder so. Nein, da wird ein ganzes Huhn gekauft, ausgenommen und anschließend mit der Hand kleingehackt. Letzteres habe ich übernommen. Das war echt anstrengend, hatte fast Muskelkater am nächsten Tag... :-) Da merkt man erst mal, wie bequem wir es bei uns haben.

 

zurück                                                                                                weiter